09.11.2007 / 16:22 / Kai Schreiber liest: The Power Broker (Robert A. Caro)

Rückschläge (71-89)


Weltveränderung von unten.
In jedem guten Witz gibt es eine Pointe, in jedem guten Martini schwimmt eine Olive, und in der Olive steckt eingelegter Paprika. Und in jeder guten amerikanischen Stadt gibt es einen Union Square. Ich habe grade den von San Franzisko hinter mir gelassen, wo mein leuchtendes Vorbild, seine königliche Hoheit Joshua Abraham Norton der Erste, Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko, 1880 einen Weihnachtsbaum errichten liess. Der steht seitdem dort jedes Jahr, nur ich stehe jetzt woanders. Der Union Square in meiner neuen Stadt ist grösser, flacher und um einiges weniger einladend, vielleicht, weil es Abend ist, vielleicht weil Manhattan erheblich dreckiger ist – unter den Abflussgittern in den Strassen liegen halbmeterhohe Strassenstaubberge – vielleicht aber auch einfach, weil der New Yorker Grosssachem von Tammany Hall, Charles F. Murphy, dem hier ein Fahnenmast gewidmet ist, seiner königlichen Hoheit kein getrübtes Wässerchen reichen könnte, das ist nun doch eine ganz andere Liga. Eigenes Geld nicht nur zu drucken, sondern damit auch noch überall bezahlen zu können, weil die charmierten Regierten einen so inständig verehren, davon konnten die korrupten Schranzen der Tammany Society trotz aller realen Macht doch nur träumen.

Ich schreib das hier so versiert hin, aber natürlich hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, wovon Caro redet, Tammany Hall hier, Tammany da, was soll das Namedropping, Herr Autor. Dabei hatte sie ja sogar hier am Union Square ihr Hauptquartier, die Politlobby, ein Filminstitut ist heute drin. Zu Moses Zeiten war das Hauptquartier der Bande allerdings um die Ecke, auf der vierzehnten Strasse, und von dort aus also löschte man die Arbeit einiger Jahre seines Lebens und alle seine Reformversuche aus. Wir wissen natürlich schon, dass alles ein gutes Ende nehmen wird, dass Robert eine mächtige Brückenspinne werden wird, aber er weiss das noch nicht. Er blickt jetzt zurück auf verschwendete Jahre und gescheiterte idealistische Pläne, und es geht ihm vermutlich nicht gut. Vier Jahre, wird er sich gesagt haben, und was habe ich vorzuweisen, was hat es genützt? Kein Geld im Haus, nur hartes Brot in der leeren Küche, was ich tue, bewirkt nichts und hilft niemandem, und jetzt auch noch Kakerlaken und Wanzen überall. Oder halt, Moment.

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